München-Lese

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Erbsensoldaten 
Von Zwergen, Zauberern und Krabat. 
Florian Russi  

spannende, lustige und wundersame Märchen

Vor noch gar nicht langer Zeit teilten sich Zwerge und Menschen das Land in 
der Lausitz. Da gab es den abenteuerlustigen Pumphut und den schlauen 
Müllergesellen Krabat, vor dem man sich besser in Acht nahm.

ISBN 978-3-86397-002-4
Preis 14,90 €

Die Dohle mit dem Ring

In München sind viele Sagen an bestimmte Häuser geknüpft. So trug sich eine Sage zum Beispiel in der ehemaligen Residenz (heute der alte Hof) zu. Sie handelt vom kleinen Prinz Ludwig der Bayer und einem Affen, der den Prinzen aus seinem Bettchen geraubt und den gesamten Hofstaat in Schrecken versetzt hatte.

Eine weitere Sage, handelt von einer Dohle, die einen Ring im Schnabel hält und als Dachfahne auf einem Haus steht. 

Julia Meyer

Die Dohle mit dem Ring 

Nach Bruckbräu's Eichenkronen 1832: Neues Tagblatt für München und Bayern, 1839 Nr. 145 u. 158, woselbst die Echtheit der Sage beanstandet wird.

Gegenüber der neuen Post zu München erblickt man auf einem der vorstehenden Hausgiebel statt des gewöhnlichen Windfähnleins eine Dohle, welche einen Ring im Schnabel haltend, ihre ausgebreiteten Fittige dem Winde entgegenhält, der sie auch hin und her dreht mit abenteuerlichem Knarren. In früheren Zeiten wohnte im Franziskanerbäckenhause, dem Palaste der Törring-Guttenzell gegenüber, im zweiten Stocke der kurfürstliche Hofrath von Lander, dessen Nichte in der Klosterschule bei St. Jakob am Anger erzogen wurde. Diese lernte hier die Tochter des Klostergärtners kennen, und gewann das sanfte, schuldlose Mädchen so lieb, daß sie nicht nachließ mit Bitten, bis ihr das Gärtnermädchen zur Gespielin heimgegeben ward. Einst befand sie sich auf dem Jahrtage der Gärtner in der kalten Herberge, wo sie Festkönigin war, als sie plötzlich von Gerichtsdienern verhaftet und in ein Gefängniß gebracht ward. Man hatte nämlich schon seit geraumer Zeit zwei Ringe vermißt, und jetzt fehlte auch der dritte, ein sehr werthvoller Brillantring des Hofrathes. Niemand wußte, wohin sie gekommen, da verstand es der Sohn des Hofrathes, den Verdacht auf das Gärtnermädchen zu bringen, indem er die Kapsel des Ringes, die er gefunden, in ihren Kasten warf, um sich auf diese Art an ihr zu rächen, weil sie seine zudringlichen Liebesanträge verschmäht hatte. Der Schein war durchaus gegen sie, also verfuhr man mit der ganzen Strenge des Gerichtes gegen die Unschuldige.

Auf dem erwähnten Gärtnerfeste in der kalten Herberge befanden sich auch ein geistlicher Rath und sein Bruder, ein Domherr, beide aus altadlichem Geschlecht, und hatten die Verhaftung des armen Mädchens mit vielem Mitleiden angesehen. Beide wohnten im Hintergebäude des Franziskanerbäckenhauses und sahen an demselben Tage, als das Mädchen zur Folter gebracht werden sollte, zusammen hinab in den kleinen Hof, wo eben ein Maurer, Vater von sieben Kindern, Kalk bereitete, um das schadhafte Dach auszubessern. Da fällt plötzlich ein Geldstück, ein neugeprägter Pfennig, auf die Kalkschaufel des armen Maurers, der es für ein Geschenk der beiden alten Herren haltend, ihnen dafür dankt. Jene aber sahen gar wohl zu derselben Zeit einen schwarzen Vogel in das halbgeöffnete Fenster eines Zimmers fliegen, aus dem er bald mit einer Münze im Schnabel zurückkehrt. Blitzschnell durchzuckt den Domherrn der Gedanke, auch der vermißte Ring könne auf solche Weise abhanden gekommen sein. Er schreibt also gleich an den Richter, meldet das Geschehene, und bittet, eine Gerichtskommission in sein Haus zu schicken, um sich von der Wahrheit der Aussage zu überzeugen. Das geschieht; nach einer Viertelstunde kommt der Vogel wieder, so daß ihn die Kommission selbst hineinfliegen und Münzen entwenden sieht.

Man verfolgte nun sogleich den Flug des Räubers, entdeckte auch sein Nest und darin die Ringe nebst mehreren goldenen Schaumünzen und einer großen Menge ganz neuer glänzender Pfennige. So war die Unschuld der Gärtnerin vollkommen dargethan, und auf so großes Leid folgte große Freud', weil auch der Kurfürst und seine erlauchte Gemahlin an dem seltsamen Vorfalle Antheil nahmen. Auf dem Dachgiebel aber wurde zum Andenken an jenes Ereigniß die Dohle mit dem Ringe im Schnabel dargestellt, wie noch heute zu sehen ist.

*** 

Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1-3. München 1852-1853, S. 45-46.
Lizenz: Gemeinfrei

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