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Berndt Seite wirft einen Blick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nicht nur seine eigene, sonderen auch auf Blick auf die Menschheit als Ganzes.

Kocherlball am Chinesischen Turm

Kocherlball am Chinesischen Turm

Maximilian Müller

Volksevent für Jung und Alt

Wer sich entgegen der neumodischen Tugend des längeren Ausschlafens am Sonntagmorgen aufrappeln kann, der erlebt einmal im Jahr – und zwar jeden dritten Sonntag im Juli von 6 bis 10 Uhr - ein regelrechtes Freudenfest am Chinesischen Turm (Englischer Garten) in München - den Kocherlball.

Die gute alte Zeit

Die Volkstanzveranstaltung hat ihre Ursprünge im späten 19. Jahrhundert (um 1880). Damals traf man sich jeden Sonntagmorgen im Sommer vor Sonnenaufgang (5-8 Uhr) bei schönem Wetter, um gemeinsam das Tanzbein zu schwingen. Aber keine hochadeligen oder gutbetuchten Personen waren gern gesehene Gäste, sondern bis zu mehreren Tausend Hausangestellten (Mägde, Hausdiener, Laufburschen, Köchinnen, usw.) gleichzeitig. Da sie tagsüber arbeiten mussten, blieb ihnen allen nur die schöne und freie Zeit im Morgengrauen, um sich bei guter Musik und schnellen Tanzkombinationen ein bisschen vom Alltag abzulenken. Es muss im wahrsten Sinne des Wortes heiß hergegangen sein, da die Veranstaltung 1904 aus „Mangel an Sittlichkeit“ von der Obrigkeit verboten wurde. Das erklärte dann auch die signifikant hohen Geburtenzahlen, die 9 Monate nach einer solchen Veranstaltung zu bezeichnen waren.

Das bayerische Wort Kocherl, was ebenfalls aus dieser Zeit stammt, bezeichnet eben diese Arbeitsgruppen, die sich auf den Tanzveranstaltungen umhertrieben. Einige Quellen bestätigen auch, dass speziell das Küchenpersonal bzw. die Köchinnen so genannt wurden.

Die gute neue Zeit

Heutzutage ist das Fest wieder in aller Munde und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Es dauerte jedoch bis 1989, als es erstmalig nach dem Verbot und zum Anlass der Zweihundertjahrfeier des Englischen Gartens wieder durchgeführt wurde. Getanzt werden übrigens immer noch die alten Volkstänze von Walzer und Polka über Zwiefacher bis hin zum mittlerweile nahezu legendären Münchner Française. Wer nicht mehr alle Tanzschritte aus dem ff parat hat, für den wird an den drei Donnerstagen vor dem Kocherlball ein Tanzkurs im Hofbräuhaus abgehalten, wobei die Stimmung nicht weniger ausgelassen und freudig ist, als zum eigentlichen Event.

Wer was auf sich hält, erscheint natürlich in alten Dienstbotenuniformen oder bürgerlicher Kleidung des 19. Jahrhunderts. Wahlweise kann und sollte man sich bayerischer Tracht – sprich Dirndl und Lederhose – bedienen, um ein Gefühl längst vergessener Zeit für ein paar Stunden am Vormittag wieder aufleben zu lassen. Volksfestfreunde, die sich richtig zünftig verhalten wollen bzw. unter den vielen Zugereisten nicht auffallen möchte, versuchen sich ab 4 Uhr morgens einen der begehrten Biergartentische zu sichern, um bei gemütlicher Brotzeit in alten Zeiten zu schwelgen, sowie das rege Treiben und die außergewöhnliche Atmosphäre zu genießen.

Wie bei allen Geheimtipps kann sich auch der Kocherlball mittlerweile bei schönem Wetter von Besuchermassen kaum retten. So können an guten Tagen bis zu 15.000 Teilnehmer erwartet werden. Sollte die Wetterfee einmal Wichtigeres zu tun haben, als aufs Wetter Acht zu geben, so wird die Tanzveranstaltung leichter Hand um eine Woche nach hinten verschoben.

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Bildquellen:

Kocherlball am Chinesischen Turm im Englischer Garten, München (Bayern) Urheber:Andreas Bohnenstengel via Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

München, Englischer Garten: Kocherlball 2012 Von User: Bbb auf wikivoyage shared, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22...

Kocherlball (Juli 2001) Von Andreas Bohnenstengel, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22...

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